Höher, schneller, weiter?

Dieser Post schwirrt mir schon sehr lang im Kopf herum und es hat mich einige Anläufe gekostet, ihn wirklich zu schreiben. Zu wirr waren meine Gedanken zu diesem Thema.

Schon länger mache ich mir zu diesem Thema Gedanken… was erwarte ich von meinem Kind? Muss ich überhaupt etwas erwarten? Kann ich etwas erwarten? Warum ich mir diese Fragen stelle? Vor einigen Monaten hatte ich eine Unterhaltung mit einer Erzieherin. Diese versicherte sich bei mir: “ L. geht doch auch jetzt bald in den Kindergarten, oder?“. Zu diesem Zeitpunkt liefen gerade die Anmeldungen für die Kindergärten hier im Umkreis und das Thema war somit bei allen Müttern in aller Munde. Ich antwortete also und machte mich auf die Reaktion gefasst: „Nein, er wird vorerst noch nicht in die KiTa gehen. Ich war mir ihm vor Ort, habe mir alles angesehen und gemeinsam mit meinem Mann entschieden, dass uns das noch zu früh ist und L.. noch einige Zeit mit mir zu Hause verbringen wird.“ Das Thema ist eine schwierige Kiste und da hat jeder seine eigene Meinung. In meinen Augen muss das jede Familie mit Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Familienmitglieder für sich entscheiden.

Mein Gegenüber war sehr erstaunt und hatte mich wohl anders eingeschätzt. Mir wurde gesagt, dass Kinder, die unter zwei Jahren in die KiTa gingen, sehr viel selbstständiger seien. Da musste ich erst einmal drüber nachdenken.. Ich antwortete, dass das meiner Meinung nach davon abhängen würde, wie ich mich mit meinem Kind auseinander setzen würde. Es ging bei dem Thema speziell um den Bereich des selbständigen Essens. „Nun ja, wenn ich mein Kind jeden Tag füttere, wird es natürlich nicht selbst lernen, mit Löffel oder Gabel umzugehen.“ Der Meinung bin ich auch immer noch. Aber mir hing das Gespräch noch sehr lange nach… Müssen die kleinen denn unbedingt schon schnell selbständig werden? Ist das meine Intention, mein Kind in die KiTa zu bringen? Ist es nicht OK, wenn die kleinen erst einmal entdecken und ausprobieren, bevor von ihnen erwünscht wird, selbständig zu werden? Es hat mich auch ehrlich gesagt geärgert, dass mir diese Fragen nicht direkt in dem Gespräch einfielen, sondern erst einige Zeit später.

 

Da mir diese Gedanken wochenlang durch den Kopf gingen, fiel mir in dem Zusammenhang wieder einmal auf, dass häufig die Floskel fiel „L.., du wirst eines Tages Arzt(*), wenn du so weiter machst.“ (*) jegliche Berufe, die in den meisten Kreisen noch mit Geld, Ansehen und … verbunden werden, können hier nach Belieben eingesetzt werden

In den meisten Fällen werden hier keine 0815-Berufe genannt.. sicherlich ist die Nutzung dieser „Floskel“ oft nicht sehr ernst gemeint, aber ein Funken steckt ja dahinter. ….

Wenn unser Sohn etwas neues lernt, bin ich sehr stolz auf ihn, keine Frage. Jedoch lasse ich ihm gern die Zeit, die er dazu benötigt, um diese Fähigkeiten zu lernen. Aus eigenem Willen und wenn möglich auch aus eigener Kraft. Ich bin der Meinung, dass man sein Kind bei Interesse an einer Sache unterstützen kann, aber ich war nie Fan davon, mein Kind anzutreiben, etwas unbedingt zu lernen. Aus meiner Erfahrung ist das Interesse und der Ehrgeiz von den Kleinen von ganz allein schon sehr groß.

 

Bezüglich dieses Themas denke ich sehr gern an ein Gespräch mit meinem Vater zurück. Es ging darum, dass von uns bekannte Eltern enttäuscht von ihren Kindern waren/sind und daraus auch keinen Hehl machten. Mein Vater meinte daraufhin: „Mir war immer wichtig, dass ihr gesund und munter seid. Alles andere kam von allein.“ Sicherlich könnte man jetzt einwenden, dass ich weder Ärztin noch Anwältin oder etwas vergleichbares geworden bin, aber ich bin eine liebende Mutter geworden, die ihr Leben insgesamt gesehen glaube ich ganz gut im Griff hat und fest im Leben steht. Da ist er glaube ich sehr zufrieden mit. Ganz ohne höher, weiter, schneller.